Knut Schaflinger, 1951 in Graz geboren, Studium in Wien, freier Filmemacher und Redakteur bei den ARD-Tagesthemen in Hamburg, Dozent an der Bayrischen Akademie für Fernsehen in München, wohnhaft in Hamburg und Friedberg.
Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften und Anthologien weiters:
„Drei Teile vom Licht“,Gedichte,Verlag freier Autoren,Fulda 1985.
„Der geplünderte Mund“,Gedichte, Alkyon Verlag, Weissach, 1998.
„Das Versprechen der Steine“, Hanau 2001.
„Scherben und Mosaike“, Edition Thaleia, St. Ingbert, 2005.
Finalist beim Christine-Lavant-Lyrikpreis 2003, 2. Platz beim Feldkircher Lyrikpreis 2004, Dulzinea-Lyrikpreis 2004.
Preisträger im Wettbewerb „Natur.Lyrik“ von „Das Gedicht“ 2004.
Laudatio
Knut Schaflinger führt den Leser in seinen Gedichten vom Titel bis zur letzten Zeile Wort für Wort durch vielschichtige Bildkomplexe hindurch, hin zu augenscheinlich greifbaren Sinnwelten, die sich wiederum doppelbödig auffalten und doch gleichsam Strukturen des Ganzheitlichen schaffen. In einer ihm ganz eigenen Art und Weise geht Schaflinger dabei nie den sprachlich direkten Weg. Vielmehr durchkreuzt er mit dem Wort als solchem die eingefahrenen rezeptionsästhetischen Bahnen seines Lesers, lenkt dessen Wahrnehmung präzise über irritierende Umleitungen zu unerkannten Bildern.
Der Leser, der sich auf diesen Bilderzug einlässt, entbehrt der gewohnten Sicherheit des Erfahrungsmomentes, erlebt die Abfolge eingeübter Wahrnehmungsprozesse verzögert, unterbrochen und nicht selten in Frage gestellt. Schaflinger will mehr als die Rekonstruktion gespeicherter Vorstellungen; er verlangt seinem Leser nichts Geringeres ab, als die Neukomposition der Bilder der erlebten Wirklichkeit. Auf diese Weise eröffnet er seinem Leser einen gänzlich ungewohnten, verfremdeten Blick auf alltäglich Wahrgenommenes.
Eben diese Entfaltung der scheinbar flüchtigen Bilderfolgen avanciert zum Lustfaktor des Lesers, die Abfolge der Worte zur reizvollen rezeptionsästhetischen Herausforderung, die den Leser animiert, Schaflingers Gedichte auch zum wiederholten Male mit ungeminderter Spannung und Neugier zu lesen.
All diese Aspekte haben die Jury überzeugt und wir gratulieren Knut Schaflinger zu dem ersten Platz
des diesjährigen Feldkircher Lyrikpreises.
Gedichte
NACH DEN MILCHGEBISSEN
Zierrat trägst du
im Mund die polierte Kette mit Tafelwasser den
Zahn
Spangenstahl gespült dein Biß
in den Winter
Apfel
ist er ein lautes Zitat aus
Werbung Kauf
Lust und Kindheit dazu rundum ihr Weiß wie es
platzt daß eine Schnee
Kugel frei
legt die Orte an denen du einsam warst besuchte
Städte Museen
und Kirchen du schlepptest die ersten Gewichte
der Welt
weg nur mit dem Kiefer
WIR KNISTERN NICHT MINDER ALS JEDE SEIDE
Nächte aus Ruß
und Wachs wie sie herunter brennen
daß die Falter schwarz
ihre Schatten empor wachsen lassen die Wände
sie kleben nicht an ihren Fühlern sind sie ein
gezogener
Stecker Gleichstrom
atmend wie wir
aber das warme Knistern
der Seide wie es Gestalt annimmt unter den
Schritten
Eis deckt ein blaues
Emaille seitenweise unser Schmelzwasser zu
FLUSSABWÄRTS DAS WENDEMANÖVER EINES
PAPIERSCHIFFCHENS
Märzschaum im Fluß
wenn die jungen Blätter aus den Weiden
Äste Siebe
treiben schwämmen glitzernd Kronen fort leicht
in die Stirn
der Wellen gedrückt wälzen sich um goldene
Tropfen sprühend
in der Sonne ein bengalisches Feuer
Rad nach
folgend die leeren Boote
aus gefaltetem Papier namenlos längst von all
deiner Tinte
verlassene winzige Körbe ein
ausgewaschenes Bündel woraus dir entgegenblickt
was in See
Not geriet verschwiegen kehren sie dann
in den Strudeln die nassen Mützen nach oben
DAS VERRICHTEN DER DINGE
Es mehren
die Anzeichen sich der Schlaf sei nicht zu
entschlüsseln durch
die Geräusche der Zähne ihre Stille erst wäre leicht
einzuhalten
berührten die Kauflächen nicht ein
ander bissest auf Zungen
und andere weiche auch mündige Körper in denen
statt
findet jetzt das Verrichten der Dinge als letzter
Traum lange
Verfolgungs
Jagden zum Beispiel Anzüglichkeiten kurze
Gepäck
Aufbewahrung oder
fädelst schon munter die Zahn
Seide durch
Lücken nähtest sie zu darin sich verschließen
wie man obduziert
AUS EINGESCHLAGENEN FENSTERN
Aus eingeschlagenen Fenstern
wachsen die Zungen der Stille zu blinden Spiegeln
vermummt gehen
wir in die Schatten hinein die uns verschließen wie
Katzen ihre
Köpfe unter den Pfoten im Schlaf
die Tal
Fahrten weißt du fangen
im Herbst an wenn die Schwalben einander auf
den Strom
Leitungen wärmen
hängende Seile dann an ihrem tiefsten Punkt
steigst du zu